1995 – 2003: eine persönliche Techno-House Retrospektive (Teil 2)

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1995 – 1997

Einer, der dabei Techno entscheident mitgeprägt hat ist Carl Craig. Mit seinen Produktionen von 1994 bis 1997 als Paperclip People sowie seinem Label Planet E ist er auf jeden Fall einer der wichtigsten Produzenten dieser Zeit. Wieder waren es die Tracks aus Detroit, die überall abräumten und der gesamten Techno-Community neue Inspirationen und neue Impulse gaben. Mindestens ebenso wichtig wie Carl Craig ist Jeff Mills, der nun ab 1996 auf seinem Label Purpose Maker neue Loop-Techno Impulse setzte. Convextion gab sein Debüt auf Matrix, Octave One starteten ab 1995 ebenso richtig durch, Kenny Larkin veröffentlichte sein Album Metaphor und trumpfte mit seinem Dark Comedy Alias und nicht zuletzt waren da noch Richie Hawtin (aka Plastikman & Concept), Robert Hood, Blake Baxter oder Scan 7. Und die deutschen DJs wie Sven Väth oder DJ Hell haben diese Tracks gespielt.

Wenn ich an die für mich wichtigsten Releases aus Europa denke, dann möchte ich hier nicht in einem endlosen Namedropping enden. Da sind natürlich die harten Technoplatten z.B. auf Tresor oder Djax Up. Doch aus meiner der jetztigen Perspektive finde ich die Releases u.a. von Jesper Dahlbäck oder Adam Beyer auf Svek sowie die Platten um Steve O’Sullivan auf Mosaic bei weitem spannender – um nur zwei dieser damals ganz frischen Labels zu nennen, die letztendlich nicht nur für mich das Jahr 1997 zu einem der besten Techno-House-Jahre überhaupt machten. Wenn ich durch meine Plattesammlung gucke dann bleibe ich auffällig oft an Platten von 1997 hängen – das mit dem zeitlosen Groove hatten die in diesem Jahr wirklich drauf. Und dann gab’s 95/96 natürlich noch die bis heute essentiellen Platten auf Studio 1, Maurizio usw.

Auch beim House tat sich einiges. Groß im Rennen waren damals DJ Sneak, Strictly Rhythm und so, die sich noch ne Weile am sogenannten Wildpitch Sound inspirierten. Aber für mich steht allen voran Matthew Herbert! Mit seinen Tracks auf Phono setzte er entscheidende Maßstäbe in Richtung Deep House. Die Frankfurter Ongaku Leute starteten ihr Label Playhouse, Ricardo Villalobos veröffentlichte Tracks wie MDMA oder The Contempt, Chris Liebing veröffentichte als  Noosa Heads die großartige Houseplatte Mushrooms und 1997 gab’s die Nummer 1 auf Perlon.

Was zum Jahr 1997 auf jeden Fall mit dazu gehört ist Radio Evosonic. Das mit dem Internet war ja noch völlig in den Kinderschuhen, eigentlich viel zu teuer und bis auf techno.de und tanith.org gab’s auch noch keine wirklich relevanten Seiten im Netz. So blieb uns damals ebenfalls nur das Radio und der Plattenladen als Informationsquelle. Ich versuchte immer gleich nach der Schule im Plattenladen vorbei zu gucken und es hatte viel mit Glück  zu tun, etwas von den wirklich fetten Platten abzubekommen. Eine ordentliche Radiosendung, bei der auch Platten vorgestellt wurden, gab es bei uns nicht wirklich und in meinem Freundeskreis hatten wir nur vereinzelt Tapes von der HR3 Clubnight. Aber dann kam am 1. Mai Radio Evosonic – unsere Musik, 24 Stunden, 7 Tage die Woche non stop. Es lief die ganze Zeit und was Evosonic für die Technoszene für eine Bedeutung gehabt hat, dass konnte man auch an Chris Liebings „Freitag Abend“ Sendung sehen. Er sagte da immer irgendwas mit Schranz und 3 Jahre später sollte harter Techno, den er dort immer spielte, einfach nur noch Schranz genannt werden. Fortsetzung folgt…