De:Bug Musiktechniktage 2010 – Review: Produzieren für Vinyl

de:bug musiktechniktage 2010 dubplates & masteringElektronische Musik gehört einfach zu Berlin und vom 3. bis 6. November sollte diese Verbindung wieder einmal besonders gefeiert werden. Im Rahmen der Berlin Music Days gab es neben dem Rave in Tempelhof auch diverse Showcases wie zum Beispiel eine Austellung der Zeitmaschine im Horst Kreuzberg und die De:Bug Musiktechniktage. Nahezu alle Clubs glänzten mit hervorragenden Line-Ups und auch Electronic Beats lud am Donnerstag zum Festival ins Radialsystem, wo wir zum ersten Mal seit den Achtzigern ein großartiges Konzert von The Human League in Berlin erleben durften.

Einige Stunden später war ich dann erneut Gast im Radialsystem, denn jetzt begannen dort die De:Bug Musiktechniktage 2010. Native Instruments veranstaltete Workshops zur Maschine und zum neuen Traktor Controller S4, Ableton zeigte The Bridge und Schneiders Büro lud zum Synthesizerbasteln. Ich hatte mich zum Maschine Workshop angemeldet und tatsächlich noch eine Einladung erhalten. Der Workshop war jedoch eher für jene gedacht, die noch nicht mit der Maschine arbeiten und die sich für Ihre Möglichkeiten interessieren. Die Maschine habe ich aber hier bereits schon längst hoch gelobt und bis jetzt habe ich damit auch noch alles hin bekommen, was mir damit in den Sinn gekommen ist. Nach der Einleitung habe ich mir also nur meine zwei aktuellen Fragen zum antriggern von analogem Equipment beantworten lassen und mich dann wieder verabschiedet. Meine Halswirbelsäule muckt seit diesem Tag auch rum und länger sitzen war an diesem Nachmittag für mich einfach nicht drin.

Einen Tag später gab es außerdem noch mein persönliches Workshop-Highlight dieser Musiktechniktage bei Dubplates & Mastering am Paul-Lincke-Ufer. Christoph, auch bekannt als CGB aus so mancher Auslaufrille, ist dort mit seinen Kollegen für Vinyl-Cut und Mastering zuständig und so bot sich für alle Anwesenden die Gelegenheit, sich ohne 15-Minuten D&M Abrechnungstakt im Rücken jede Frage zur Schallplatte beantworten zu lassen. Im Zentrum des Workshops stand natürlich erst einmal die Neumann-Maschine, mit der dort Dubplates und Vorlagen fürs Presswerk geschnitten werden. Wenn man aber schon mal dabei ist, wie welche Frequenz ins Dubplate geschnitten wird und wie sich dabei die Abstände verändern, wie die Vorlaufsteuerung funktioniert und warum die Spulen der Maschine jetzt ne Wasserstoffkühlung benötigen, dann war es auch gar kein großer Sprung mehr und schon waren wir bei der Auflageposition der Nadel am Technics Plattenspieler und warum es wirklich bessere Nadeln als diese Concorde-Systeme gibt.

Es ging, befeuert von den Fragen der anwesenden Freaks, aber nicht nur so richtig ins Detail. Außerdem kamen auch die ganz allgemeinen und wirtschaftlichen Probleme zur Sprache, die Vinyl heute hat. Waren vor 15 Jahren manchmal 10 000 Exemplare einer Platte noch eine Limited Edition, so ist heute eine Auflage zwischen 300-500 Stück der Standard. Es ist kein Geheimnis, dass man mit Vinyl kein Geld mehr verdient. Deshalb darf die Herstellung inklusive Mastering, Vinyl-Cut und Kopien im Presswerk auch nicht teuer sein. Alles muss schnell gehen und am Ende wird immer öfter nicht mehr das Qualitätsniveau aus Vinyl heraus geholt wird, dass eigentlich in diesem Format steckt – eine Tendenz, die womöglich die eigentliche Gefahr für das Medium darstellt.

Doch während man in der digitalen Flut an Veröffentlichungen schon längst den Überblick verloren hat und da einfach nicht mehr hinterher kommen kann, ist Vinyl nicht nur für mich einfach ein Filter, der wirklich gut funktioniert. Wer als Produzent nur digital veröffentlicht, der wird bei weitem nicht so wahrgenommen wie jene, die auch mal ein paar hundert Euro in Vinyl investieren. Doch ist niemanden damit geholfen, wenn man jetzt nur deshalb sehr mäßige Tracks in Vinyl pressen lässt. Welche Hinweise hatte also CGB für das Produzieren für Vinyl? Ich hoffe, ich hab das jetzt alles richtig verstanden:

  1. Zuallererst hab gute Ideen und produziere gute Tracks. Fühle dich frei beim Musik machen und mache dir möglichst wenig  Gedanken über alles, was eventuell danach kommen könnte.
  2. Wer sich zu Hause oder im Studio mit Mastering beschäftigt, sollte sich immer eine Version aufheben, für die keine Extrakompression verwendet wurde und einer Nachbearbeitung noch genügend Raum nach oben lässt. So kann man dann auch zwei Versionen zum Mastering geben: das Original und eine Version die dem Engineer eine Idee gibt, welche eigenen Vorstellungen für das Mastering bestehen. Falls das eigene Pre-Mastering dann in Verbindung mit dem Medium und der praktischen Realität nicht funktionieren sollte, kann man so immer noch mal zurück. Ist hingegen schon alles auf Maximum, kann man auch beim Mastering nichts mehr korrigieren.
  3. Jeder hat bestimmt schon mitbekommen, dass ein Track auf einer 12″ bei 45 RPM deutlich lauter ist und prägnanter klingt, als wenn sich dieser Track eine Seite bei 33 RPM mit noch zwei weiteren Tracks teilen muss. Dementsprechend kann man das bei der Planung seiner Veröffentlichungen durchaus mit berücksichtigen. Zum Beispiel platziert man deshalb die Floorbombe als Einzeltrack mit 45 RPM auf die A-Seite und den Track für die ruhigen Momente bei 33 RPM auf B2.
  4. Sei beim Mastering dabei, wenn das irgendwie geht. Gerade wenn man zum ersten Mal zusammenarbeitet und sich noch nicht kennt, kommt man so langfristig schneller zu Ergebnissen, die alle glücklich machen und erspart sich auch eine mögliche erste Enttäuschung beim Mastering.
  5. Bedenke bei der Wahl des Presswerkes, dass auch die Herstellung der Motherplates viel Erfahrung bedarf. Je weniger Erfahrung das Presswerk hat, desto höher wird auch die Wahrscheinlichkeit, dass die Pressung vielleicht nicht ganz so gut gelingt, wie sie hätte sein können.

Als dann noch CGB darüber berichtete, wie sie bei D&M am Anfang Loops geschnitten haben, waren auch schnell wieder alle besprochenen Probleme der Schallplatte verflogen. Damals haben sie nämlich einfach den Arm des Schneidstichels der Neumann-Maschine festgehalten und bis vier gezählt. Wer so 12 Loops hintereinander fehlerfrei geschnitten hatte, der durfte sich schon fast wie Superman fühlen. Eines Tages hat  das aber auch mal der Neumann-Mechaniker erlebt, der diese Maschine noch bis zu seinem Tod betreut hat. Dieser, in seinen Augen äußerst rabiate Umgang mit seiner geliebten Maschine hat ihm dann auch gleich mal für Stunden die Sprache verschlagen. Doch nur Wochen später erhielt dann Dubplates & Mastering Post von ihm und seitdem gibt es dort eine Loop-Fernbedienung und so sind Looprillen nie wieder ein Problem gewesen.

Ach man muss schon wenigstens ein kleiner Freak sein, um heute noch mit Vinyl zu arbeiten und dazu noch welches zu produzieren. Mit puren rationalem Denken finden sich wirklich kaum noch Gründe, weshalb man das überhaupt noch machen sollte. Rationalität hat aber der Musik vielleicht auch noch nie wirklich gut getan. Ich will jetzt auch nicht wieder alle Vorteile der Schallplatte gegen digitale Formate ins Feld führen, noch den Digital-DJ’s verbal gegen das Schienbein treten. Jede Technik hat ihre ganz eigenen Vor- und Nachteile und ich persönlich kann beispielsweise mit Traktor genauso gute Sets machen wie mit Vinyl. Dazu sind es ja wohl im Augenblick vor allem diese Super-CD-Player von Pioneer, die vielleicht noch alle 1210er und Laptops zusammen in die Tasche stecken werden – man weiß es nicht.

Was am Ende zählt ist doch die Liebe zur Musik und das man sich auch bewusst ist, wo die jeweiligen Nachteile der verwendeten Technik liegen. Die De:Bug Musiktechniktage 2010 waren jedenfalls eine großartige Gelegenheit, seinen Horizont zu erweitern und neue technische Facetten zu entdecken. Dabei hatte jeder Workshop seine ganz eigene Technik und bestimmt auch ein ganz eigenes Highlight. Vinyl war dabei neben der Analogtechnik aus Schneiders Büro so etwas wie der Dinosaurier. Für mich als DJ bleiben jedoch Schallplatten immer noch mein Lieblingsmedium und ich glaube das merkt man auch, wenn ich irgendwo eine Platte auflege. Danke De:Bug für die Einladungen bzw. meine angenommenen Anmeldungen und hey Christoph, danke für den Workshop – der war wirklich toll. Ich komme dann demnächst noch mal vorbei und schenke mir vielleicht zu Weihnachten schon mal ein Dubplate.