Glimpse – Lazer Bather EP (GLIM008)

Glimpse Lazer Bather EP GLIM008Glimpse ist das „Band“-Projekt des Briten Christopher Spero in dem er mit verschiedenen musikalischen Partnern wie Anthony Sergeant, Martin Eyerer, Matt Tolfrey, Jay Shepheard oder Alex Jones die Möglichkeiten auslotet, respektvoll dem klassischen früh-Neunziger Deep-House New Yorks und Chicagos zu huldigen, und dennoch einen modernen, frischen und eigenen Sound zu finden – also eigentlich genau das macht was gerade allseits beliebt und respektiert wird.

Ungeachtet der Releases auf renommierten Labels wie Cadenza oder Planet E, ist Glimpse immer noch eher ein Geheimtipp. Was vielleicht daran liegt dass Spero eine hin und wieder etwas schwierig nachzuvollziehende Vorliebe für oldschoologe Vocal-Schnipsel und einen manchmal etwas käsigen Soundmaximalismus hat, womit er bei den Blockwarten der reinen Deepness-Lehre natürlich unten durch ist, andererseits diese „kommerziell“ kodierten Sounds aber viel zu subtil und ironisch-hintergründig einsetzt um in den entsprechenden Großraum-Dissen je gespielt zu werden.

Also ein sympathisches zwischen Stühle setzen, dass mir auf dem hauseigenen Glimpse Recordings (Kompakt Vertrieb) immer am stärksten zugesagt hat. Zudem haben alle Glimpse Platten ein schönes serielles Design („Die Vögel Europas“ aus einem naturhistorischen Bildband, diesmal: die diebische Elster) und sind, Value for Money, echte EPs mit vier ziemlich verschiedenen und für sich stehenden Tracks (GLIM008 digital noch mit drei zusätzlichen Remixen). Mein Favorit ist die slowhousige A1 Colours (mit Jay Shepheard) mit ihrem geschmeidig federnden Bass und mächtigen Chords. Aber auch der Vocal-House mit Dubstep-Wobbel-Bass der B1 von Glimpse & Alex Jones ist ziemlich außergewöhnlich und einfach stark.

Trapez 100

Trapez 100Kleiner Reality Check. Riley Reinholds & Jacqueline Kleins Detroit-affines, klassischem Technosound zugetane Label Trapez hat nach dem Mutterschiff Traum nun auch schon seinen hundersten Release zu feiern. Der Weg zur Laufnummer 100, das muss ich zugeben, ist allerdings weitgehend an mir vorbei gegangen. Nachdem unter den ersten Veröffentlichungen durchaus einige Tracks über ihren jeweiligen Moment hinaus weisen konnten und als Klassiker gelten dürfen (z.B. Akufens „Psychometry Vol. 1“) schienen mir die folgenden Releases, trotz prominent verlässlicher Produzenten wie Steve Barnes, Gabriel Ananda, Slg, Jeff Samuel, Oliver Hacke, Remute oder Shinedoe doch eher DJ-Tools zu sein, Futterstoff für den den richtigen Moment eines Abends, aber darüber hinaus zu selten wirklich originell oder nachhaltig. Die Kompilation zum runden Jubiläum ist da eine gute Gelegenheit die aufgelaufenen Vorurteile eventuell noch mal zu überdenken. Und tatsächlich, die Tracks von Trapez 100 haben genau diese Art von Besonderem und eigenem das mir in den letzten Releases gefehlt hat. Im Sound immer noch an klassischem Detroitschaffen der Neunziger (zwischen UR und Dub-Ästhetik) orientiert, sind die Struktur und Details im Sounddesign modern, zeigen wie sich Motorcity Klassik ins Heute übersetzen lässt. Besonders gut: der housige Vibe des Raw Hedroom Tracks, der knarzende Christian Martin Remix von UNDs großem Fox in the Box und Florian Meindls britisch anmutende Bleeps. Mein heimlicher Favorit ist allerdings Dominik Eulberg, mit dessen bollerigem Studententechno ich bislang so gar nichts anfangen konnte. Ambivalent beginnt subtil indem es einen typischen Percussion-Minimal Housesound andeutet bis nach fünf Minuten Geklöppel plötzlich ein böses Ravesignal von der Seite hereingrätscht und die große Open-Bühne freiräumt.

Tracklist Trapez 100:

1. Five Green Circle – Verse 2the Chorus (Salz Remix)
2. Raw Hedroom – Lauryn’s Tokyo Bananas
3. UND – Fox In The Box (Christian Martin Remix)
4. Roland M. Dill – 1st Century Fox
5. Oliver Hacke – Der Vampir Von Düsseldorf (Break 3000 rework)
6. Dominik Eulberg – Ambivalent
7. Gabriel Ananda – Afu 3
8. Florian Meindl – Blast (Format:B Remix)
9. Gow – Wapper Do It
10. Jeff Samuel – Lip Service
11. 3 Channels vs SLG – Wtorek

André Lodemann – Coming Home EP (Best Works – BWR003)

Andre Lodemann Coming Home EPAn dem was in Berlindeutschland so an Deep-House passiert, gefällt mir das was André Lodemann gerade macht mit am besten. Die Releases folgen einer eigenwilligen bis gewagten Release-Politik: nach jahrelangem stillhalten feuerte er die ersten drei Laufnummern seines Labels Best Works Records in nur drei Monaten heraus, drei EPs die er auch noch komplett selbst bespielte. Die drei Releases sind alle angenehm verschieden, vom Vocal-House des Debüts Searchin‘ (featuring Nathalie Claude) über die etwas ravig bis experimentelleren Breakbeats auf You never know zur aktuellen Coming Home EP, die klassische House-Arbeit mit Piano und Flächen noch einmal auf schönste durchdekliniert. Das lässt hoffen, dass hier das Potential zum dauerhaften agieren da ist, dass nach der massiven Präsentation in der Szene, auch der lange Atem da ist, die geweckten Erwartungen nachhaltig erfüllen zu können.

Was André Lodemann von dem Unterscheidet was aktuell zwischen Oslo, Cecille und Mountain People so alles als neuer Euro-House zirkuliert, zeigt sich besonders gut an der aktuellen dritten EP. Er agiert auf Coming Home nicht besonders minimal, und konzentriert sich immer zuerst auf den Groove. Die erdig-dichten Beats sind in jedem Stück anders und immer interessant. So wird im Titelstück Coming Home der zwingende Groove ganz sacht von einer feinen Fläche unterfüttert bis irgendwann ein verhalltes Piano die Abfahrt angibt. Zap auf der B ist ein subtiler Schieber der nicht nach Peaktime schielt aber gerade dadurch gewinnt. Obwohl nicht so leicht festzunageln ist der Stil von André Lodemann eigenwillig genug, dass die Remixe von Pikaya und Norman Nodge, die jeweils ihren spezifischen Minimal bzw. Dub Flavour beimischen, den Originalen kaum was anhaben können. Bin gespannt wie es weiter geht.

Kate Simko: Take You There EP (Spectral Sound SPC-73)

Kate Simko Take You There EP Spectral SoundKate Simko produziert langsam, vielleicht vier Tracks pro Jahr. Aber wenn sie etwas heraus bringt, ist es immer etwas besonders – auch wenn das Besondere im ersten, Eindruck of gar nicht so direkt erkennbar ist. Die klassisch, am Cello, geschulte Musikerin, (früher auch eine Hälfte von Detalles) produziert etwas, was man wohl als Minimal-Techno bezeichnen muss. Allerdings Minimal, der die Klischees des Genres gekonnt zu umgehen weiss.

Ihre neuste Take You There EP auf Spectral Sound verabschiedet sich noch ein wenig mehr vom Minimal-Sounddesign. Die Tracks sind zwar immer noch sehr perkussiv-trocken und im Aufbau höchst minimalistisch, aber langsamer als zuvor und im Gesamtsound eher „housy“. Das entschiedende Merkmal aller Simko Tracks ist ihre Konzentration und Verfeinerung, die Art und Weise wie sich die kleinste Veränderungen durch die Stücke mäandern und sie immer wieder überraschend und interessant machen – das allerdings auf eine derart subtile Weise dass der flüchtige erste Eindruck, im Plattenladen unterm Kopfhörer oder als Vorhör-Schnipsel im Netz, fast immer negativ ausfallen wird, will sagen „langweilig“. Doch genau diesem Impuls darf man nicht nachgeben. Hier sind reiche musikalische Schätze verborgen. „Deep“ wäre das richtige Wort dafür.

Rondenion: Love Bound EP (Rush Hour Recordings RH-R1)

Rondenion Love Bound EP Rush HourEin Phänomen, aber es gibt immer mal wieder Platten die mich faszinieren, die ich immer wieder hören muss, obwohl ich die einzelnen Tracks eigentlich gar nicht so gerne habe. Der Japaner Hirofumi Goto alias Rondenion hat mit seiner Love Bound EP nun genau so ein Ding produziert, von dem ich gerade nicht mehr los komme. Irgendwo im Großraum zwischen Disco-Edit und Sample-intensivem Maximal-House im Innervisions Style angesiedelt, zerren besonders die beiden Stücke auf der A der EP, Carnival Time und Storm gehörig an meinen Nerven. Zu viel quer übereinander gestapelte Samples (oft nicht mal in der selben Tonart)? Zu viel penetrante Wiederholungen? Zu viel unterschweilliger Noise? Die B Wave Amplitude ist dagegen entspannter, klassischer Deep-House zu sofortigen Genießen. Die erste Seite der EP aber nervt auf eine seltsame, das Interesse wachhaltende Weise, die mich dazu auffordert, immer noch einmal reinzuhören, es immer noch einmal zu versuchen die Tracks endlich zu kapieren. Eine abseitige Qualität, aber definitiv eine Qualität!

Edward: Views From Abroad (White 006)

EdwardWann war das eigentlich, als Miminal Techno noch sexy war, und irgendwas mit Soul zu tun hatte? Und nicht wie Matias Aguayo kürzlich so schön textete, im „just pumping pumping pumping“ eine langweilige Porno-Logik verinnerlicht hat oder sich seit mehr als zehn Jahren an der einen, unerreichten Matrize (Robert Hoods Minus von Internal Empire) abarbeitet? Nun hin und wieder gibt es erfreuliches zu berichten, und der junge Mann der sich Edward nennt, konnte mich mit seiner, nach mehreren Samplerbeiträgen, ersten eigenen EP Views From Abroad mal wieder ernsthaft für ein klassisches Minimal Stück Begeistern. In the Mood heisst das, belegt die A-Seite der EP und legt über einem ganz simplen und trocken-warmen Fundament aus Bässen und sehr gerader Bassdrum ein melancholisches Sample (möglicherweise aus dem Soundtrack des gleichnamigen Wong Kar Wai Films) und einen schmeichelnden Wechselgesang Edwards mit Sara Clarke, der ein bischen an Je T’aime… Moi Non Plus erinnert, aber doch unendlich viel subtiler daherkommt als die gruselige Coverversion die Sven Väth seinerzeit an Je T’aime verbrochen hat. Auch die zwei dunkel melodischen Minimal-Stücke auf der B-Seite überzeugen. White, das Berliner Label mit dem schmucken seriellen Design (ein frontales Schwarzweiss Photo des jeweiligen Künstlers vor schwarzem Hintergrund) hat sich hier jedenfalls einen vielversprechenden Newcomer an Land gezogen.