1995 – 2003: eine persönliche Techno – House Retrospektive (Teil 3)

Techno RetrospektiveLetzter Teil der Retrospektive: Das Jahr 1997 steht für mich für eine blühende Techno-Szene, die es schaffte wirklich großartige Tracks zu prodzieren und sich dabei gut vom puren Komerzgeschäft abgrenzte. Für mich war  und ist der Techno-House Spirit, gern umschrieben mit Love, Peace & Unity, einfach großartig und für mich funktionierte das  auch 1998, 1999 sehr gut. Techno – mein Lebensentwurf. Wolle XDP spricht in der Doku We Call It Techno von dem Ziel, dass die Leute (über die Musik und deren repetivtiven Charakter) in einem Trancezustand ein Gemeinschaftsgefühl erfahren und damit zu einer Menschlichkeit zurückfinden, zu der sie sonst vielleicht nicht finden können. Auch wenn das ein bisschen esotherisch verspinnert klingt verstehe ich, wovon er da spricht. Die beste Zeit dafür ist übrigens Morgens ab 5 Uhr und wenn ich zu dieser Zeit heute irgendwo auflege, dann habe ich immer noch genau das im Hinterkopf.

Natürlich geht es zuerst einmal um Spaß. Die Momente, die Techno und House aber zu etwas ganz Besonderen machen sind jene, wo zum Beispiel der Aggro-Typ von vorhin dann irgendwann völlig versunken auf dem Dancefloor zu Musik tanzt, die er so definitiv noch nie gehört hat und sich dabei alle Aggressionen und Sorgen von Gestern und Morgen verlieren – was zählt ist der Moment, der Rhythmus, die Bewegung. Je mehr Leute so etwas gleichzeitig empfinden, desto stärker wird dieser Effekt und wenn das besonders gut funktioniert hat, dann spendet ein solches Erlebnis sehr viel positive Energie und wirkt weit über die Nacht hinaus. Woran liegt es aber, ob das Besondere von Techno und House auf einer Party entsteht oder nicht?

2000 – 2003

In dieser Zeit wurde es immer offensichtlicher, dass die natürlichen Wachstumsmechanismen der Musikindustire immer stärker auch die Musik im sogenannten Underground bestimmten. Harter Techno wurde immer einfacher strukturiert und bekam das Label Schranz verpasst. Irgendwann hieß es einfach nur noch härter, schneller, krasser – cool, wenn nicht – nicht cool. Wo 1999 noch Deephouse gespielt wurde, kam auf einmal Disco-House. Kurz: die Musik wurde für den Mainstream sehr zugänglich. Auf einmal gab es oft keinen Unterschied mehr zwischen einer normalen Disko und einem Techno- bzw. House-Club und das verbunden mit dem ganzen Scheiß, den Disko so mit sich bringt. Spielte Alkohol vorher nur eine untergeordnete Rolle, so wurde plötzlich auf den Partys gesoffen was das Zeug hält. Die Bar freute das natürlich und so wurde noch verstärkt auf Disko und Schranz gesetzt. Ich musste sehr oft erleben wie die absolute Mehrheit der Leute nur auf den nächsten Hurra-Effekt wartete, war dieser auch noch so billig und plakativ. Und was im Jahr 1997 mit der Champange EP von Miss Kittin and The Hacker noch völlig harmlos begann gipfelte bald im Electro-Clash-Crash.

Eigentlich war ich in dieser Zeit als DJ zeimlich gut gebucht. Bald hatte ich das, was ich mir am Anfang so gewünscht hatte. Ich spielte zur Peaktime auf der Mainstage – und gut, es war nicht jeder Abend schlecht. Ich war mir über das Besondere von Techno und House, was ich eingangs beschrieben habe, noch nicht so bewusst wie heute. Irgendwann wurde mir jedoch klar, dass ich diese  Entwicklung zur Disko nicht länger mittragen und miterleben wollte. Vielleicht gab es noch ein paar Ausnahmen wie das Ostgut in Berlin oder die Sets von Ricardo Villalobos, die zu dieser Zeit wirklich was Besonderes waren – aber das, was Techno und House für mich ausmacht, war sonst leider zu weiten Teilen verloren gegangen.

Back to House

Immerhin war ich nicht alleine mit dem, was ich damals über die Techno-House Szene empfand. So gründete sich 2002 in Halle mit dem ZK ein wirklich kleiner Club, der neben unserer Musikauswahl schon allein durch seine Größe ein Statement gegen die uns dort umgebende, kommerzielle Diskowelt setzte. Wir wollten eine Umgebung und diese Grund-Atmosphäre schaffen, in der sowas wie House oder Techno überhaupt wieder stattfinden kann. Der Raum, eine gewisse Offenheit der Leute und natürlich die Musik sind die drei Faktoren, die dafür essentiell sind und die sich auch gegenseitig aufeinander auswirken.

Der Raum benötigt neben einer irgendwie angenehmen oder speziellen Atmosphäre auch eine gewisse Grundgröße, so dass er  eine leichte Fluktuation auf dem Dancefloor zulässt. Am aller Wichtigsten ist  jedoch die Beziehung zwischen der Offenheit der Leute und der Musik. Es ist nur natürlich, dass die Meisten mit gewissen Erwartungen am Abend ausgehen. Neben ökonmoischen Gründen verzichteten wir anfangs völlig auf Gast-DJs und ein Resident spielte stattdessen die ganze Nacht, um auch so die Erwartungen ein wenig einzudämmen. Und mit Erwartungen musikalisch geschickt umzugehen ist für mich das, was einen guten DJ ausmacht. Wer als DJ nur auf Bewährtes und somit Erwartetes zurück greift, ist nur Disko. Wer aber einen Groove spielt, der den Techno-House Spirit in sich trägt und sich außerdem traut, den Dancefloor (wie auch immer) jenseits seiner Erwartungen zu überraschen, der öffnet so den Weg für eine Zeit, in der man House und Techno wirklich fühlen kann.