Platten jekooft: von Leichte Teile (16.05.09)

santiagosalazarSantiago SalazarArcade (Macro 011) – Stefan Goldmanns Label Macro wird immer seltsamer und immer besser. Die Tradition von House/Techno scheint hier nur noch der Ausgangspunkt für einen Trip in die weißen Stellen der Sampling-Landkarte. So ist die jüngste Laufnummer 11 von Santiago Salazar eine erdig psychedelische Pilzsuppe aus fernöstlichen Samples und einem tonnenschweren Krautrock-Synthie-Brummen. Ambient-Slowhouse-Drone, falls es dieses Genre schon gibt. Warum nur sechs Minuten? Der Remix von Stefan Goldmann erscheint da erstmal deutlich konventioneller und auf Spielbarkeit, zumindest in den frühen oder sehr späten Abendstunden ausgerichtet – würde das stück nicht nach der hälfte unverhofft in einen gefühlt japanischen Historienfilmsoundtrack umschwenken.

tensnakeTensnakeIn the End (I want you to cry) (Running Back RB015) – Wäre Justus Köhncke in dieser Runde nicht schon vertreten, der Köhncke-Disco-Gedächtnispreis gebührte Tensnake. Das Titelstück ist so ein superoptiertes, sensationell klingendes Stück Neo-Disco mit subtilen Ambienteinflüssen und dieser kaum zu greifenden Aura einer Retro-Modernität, die die Utopie die „Disco“ einmal war aufgreift und in eine ganz neuen aktuellen Kontext umsetzt. Etwas das eigentlich nur Köhncke beherrscht. In diese Disko kommt jeder rein. Neu-Alt-Neu, Whatever. Unwiderstehlich ist das Adverb zu diesen Tracks.

Justus KöhnckeDon’t Go (Kompakt 185) – Hier ist die Mjunik Vocoder Space-Disco zu Hause. In Kölle nähmlisch. Vom Meister persönlich angerichtet. Mit Gummitwist. Dirk Leyers‘ pumpend-minmaler Mix von „It’s gonna be alright“ wärmt mich bislang noch nicht so wie das Original. Braucht vermutlich die richtige Gelegenheit und Uhrzeit.

inoueKarou Inuoeesc (Endless Flight 13) – Und nochmal schwelgerische Synthie-Disco, diesmal aus Japan. Ist einfach zuu schön. Der endlos langsam glimmende Remix von John Daly macht auch alles richtig.

DiskjokkeAsa Nisi Masa (Full Pup FP019) – Jawoll. Prins Thomas‘ Full Pup endlich wieder auf Kurs. Diskjokke treibt hier Schabernack mit einer hirnzersetzender Acid-Sauce im typischen Osloer Sofarocker-Rhythmus. Erinnert mich seltsamerweise gerade an so britisches Mittneunziger-Zeug auf N-Tone oder Warp. Kann das sein?

pantonePan/ToneShame EP (Cereal Killers c/k11) – Sheldon Thompson lässt die Hosen runter. Schon wieder. Hört das denn nie auf? Seine neue EP auf seinem eigenen Label lässt erstmals hören was sich in seinem exzellenten Live-Set letztes Jahr schon angekündigt hatte: Weniger hartes Rocken, dafür Deepness, Konzentration. Das Titelstück ist so ein zartschmelzend euphorisches Slowhouse-Stück, etwas das ich von einem körperlich wie charakterlich eher, äh, „robusten“ Whiskey-Trinker wie Thompson so gar nicht erwartet hätte. Tolle Sache. Einizges Manko: Der Deprigitarrengetriebene Gui Boratto Mix von Lost Highway auf der B spielt gelinde gesagt nicht gerade in meiner Disco.

BozzwellEscape 5 (Firm31) – Der jüngste Neuzugang auf Firm läst sich mächtig Zeit bis nach etwa zwei Minuten aus Ambient/Field Recording Geknusper ein gaanz langsamer Vocal-House Burner wird, wie früher mal Closer Musik. Andre Kramls Remix kommt da deutlich schneller zur Sache. Und der Popnoname/Dee Pulse Mix von Marlena’s Eyes auf der B1 ist eine kleine Perle an poppig federndem Tech-House. Alles sehr eigenwillig, authentisch und gut. Firm machen konsequent ihr eigenes Ding. So kann „Deep“ auch gehen.

koze_smallDJ KozeMrs Bojangles (Circus Company CCS037) – Topfschlagen für Erwachsene. Koze feilt weiter an seiner unnachahmlichen Mischung aus unendlich verfeinertem Minimal-Sound und wahrhaft kindischer Freude an Höspiel-Intermezzi und albernen Filtereffekten. Klingt nach harter Arbeit. Warum Bodhisattva nach Indien ging wird uns diese Platte aber vermutlich auch nicht erklären können.

André LodemannYou never know (Best Works BWR002) – Die Laufnummer Zwei des Lodemannschen Labels, wieder von ihm selbst bespielt kommt wesentlich knochiger rüber als das üppige Vocal-House des Debüts erwarten liess. Ein heftiger ungerade-gerader Rhythmus macht die A zu einer spannenden Angelegenheit. Ohne je gerade durchzuwummern findet das Stück doch zu einem distinkten Groove. Ziemlich clever und eigen.

thrillerUnknownSwarm/Hubble (Thriller002) – Auf dem britischen Label, das sich mit grauschwarzer Anonymität schmückt wird sich auch am Erbe der frühen Neunziger abgearbeitet, spezifisch an dem was sich in komplett zerbombten Köpfen zwischen Kornfeld-Rave und Leftfield noch so zusammenklauben lässt. Zwischen Wow! und Oha! Kaputter Psycho-Scheiss des Monats. Läuft rückwärts von Innen nach Außen.

John TalabotMy old school (Permanent Vacation permvac 033) – Kann Bitte endlich mal jemand die Verwendung afrikanischer Tribal-Samples, besonders dieses eine „Timbuktu“ Sample, ihr wisst schon, unter empfindliche Strafe stellen? Danke! Ansonsten hab ich an diesem, klar, mächtig kommerziellen und, auch klar, mächtig pathetischen, Maxmimal-Melo-House aus zig geschichteten Streicher/Klavier/Ethno Samples eigentlich nichts auszusetzen. Zu einem Trend (vergleiche vor kurzem auch Culoe de Song oder Wareika) muss das aber von mir aus nicht werden.

buttrichMartin Buttrich/JonaStoned Autopilot (C2 Remix) (Planet e PLE65299) – Um diese Platte bin ich ziemlich lange rumgeschlichen. Ein perfekt austarierter C2 Mix zwischen notwendiger Härte und zugewandter Freundlichkeit, zwischen notwendiger Monotonie und hittigen Effekten. Aber bei aller Liebe: Irgendwann ist jetzt auch mal Zeit sich was neues einfallen zu lassen, Herr Craig. Die B von Jona kommt da erstaunlich frisch rüber.